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8. Heilpädagogisches Forum

Allgemein

Thema: Einführung in die Montessori-Pädagogik. "Hilf mir es selbst zu tun"

(Text: C. Athmer, M. Grodowski; Fotos: J. Treeck)

Am Freitag, 26. Januar 2007 fand das 8. Heilpädagogische Forum in unserem Berufskolleg in Bedburg – Hau statt. Frau Sonnenberg-Reuter, Leiterin des Montessori-Kinderhaus Kleve e.V., sprach zum Thema „Montessori – Pädagogik".

In einem lebendigen und interessanten Vortrag hat sie uns einen theoretischen Einblick in die Montessori – Pädagogik gegeben und als Beispiel aus der Praxis den von ihr geleiteten Kindergarten vorgestellt.

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Maria Montessori

Die Montessori – Pädagogik wurde von Maria Montessori entwickelt. Sie wurde in Italien geboren, lebte von 1870 – 1952. Sie war Ärztin und Pädagogin.

1896 promovierte sie nach ihrem Medizinstudium als erst Frau in Italien, sie hielt in den Jahren 1896 – 1899 auf internationaler Ebene Vorträge über Frauenemanzipation und Sozialreform. In den Jahren 1896/97 hat sie in ihrer Arbeit festgestellt, dass Kinder nicht nur medizinische Versorgung, sondern besonders pädagogische Hilfe und Förderung brauchen, zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie als Ärztin in einer psychiatrischen Klinik.

Sie setzte sich mit der Pädagogik ihrer Zeit auseinander und begann in den Jahren nach 1896 mit ihren pädagogischen Studien. Sie teilte die Ansicht von John Locke:

„ Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war".

1907 eröffnete sie ihr erstes Casa dei bambini (Kinderhaus) in Rom. Für dieses Kinderhaus stellte sie revolutionäre Regeln auf. Die Kinder mussten gewaschen sein, die Eltern sollten sich einmal in der Woche bei Maria Montessori nach ihren Kindern erkundigen und sie wollte nur mit ausgebildetem Personal arbeiten. Die Folge daraus war, dass Maria Montessori ab 1909 erste Ausbildungskurse für Erzieherinnen durchführte.

1913 gab sie ihre Arztpraxis auf und nahm eine Professur für Anthropologie an. In den Jahren 1932 – 1939 kämpfte sie für Frieden und für das Zusammenleben der Menschen. Ihre Popularität wurde durch die faschistische Regierung in Italien missbraucht. Maria Montessori ging mit ihrem Sohn Mario 1939 nach Indien, hier verbrachte sie den 2. Weltkrieg und arbeitete weiter an ihren pädagogischen Konzeptionen.

Erst 1946 kehrte sie mit ihrem Sohn wieder nach Europa zurück. Ihren Sohn Mario hat Maria Montessori aus persönlichen Gründen, die in der Zeit zu suchen sind, in der sie lebte und arbeitete, verleugnet und als ihren Neffen ausgegeben.

Mario Montessori bekannte sich aber zu seiner Mutter und seine Arbeit sorgte dafür, dass das pädagogische Lebenswerk seiner Mutter nach 1946 Verbreitung fand.

Maria Montessori starb am 6. Mai 1952 in Nordwijk aan Zee und auf ihrem Grabstein auf dem katholischen Friedhof lesen wir:

"Ich flehe die allmächtigen Kinder an, sich mit mir zu vereinigen, damit wir gemeinsam den Frieden in der Welt und in den Menschen aufbauen können."

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Verbreitung der Montessori-Pädagogik in Deutschland

Die historische Entwicklung in Deutschland begann 1914/13 mit der Teilnahme Berliner Pädagoginnen an Ausbildungskursen in Italien. An der Verbreitung der Montessori – Pädagogik war Lara Grunwald, einer ihrer Schülerinnen und später enge Vertraute, aktiv beteiligt. Es wurden Kinderhäuser und Schulen in Berlin gegründet, 1925 wurde die Deutsche Montessori Gesellschaft gegründet, 1936 kam es zur Schließung aller Einrichtungen.

Schon 1945 erfolgte die Renaissance der Montessori – Pädagogik und die Deutsche Montessori Gesellschaft gründete sich neu. In Berlin und Frankfurt wurden Ausbildungskurse angeboten und 1946 haben sich katholische Lehrer und Lehrerinnen zum Düsseldorfer Kreis zusammengeschlossen, daraus entstand die Montessori – Vereinigung e. V. – Sitz Aachen.

In den 50er und 60er Jahren kam es zu einem ersten Gründungsboom, der jedoch wieder abflaute. Ab Mitte der 80er Jahre begann aber eine erhebliche Ausweitung pädagogischer Einrichtungen, die nach der Montessori – Pädagogik arbeiten. In dieser Zeit entstanden viele Kindergärten auf Grund von Elterninitiativen, so auch das Montessori – Kinderhaus Kleve e.V..

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Die Montessori-Materialien

Frau Sonnenberg – Reuter hat ihren Zuhörern Lehrmaterialien, die typisch für die Montessori – Pädagogik sind, aus dem Kinderhaus mitgebracht. So konnten wir an Hand von blauen Stoffsäckchen mit Inhalten aus unserem Alltag, wie z. B. einer Schraube, die man ertasten konnte, unseren Partner suchen. Kleine Holztafeln mit rauer Oberfläche aus Sandpapier in verschiedenen Körnungen wurden verteilt. Die Personen suchten wieder denjenigen, der die gleiche Tafel hatte und stellten sich in der Reihenfolge von feinem Sandpapier bis hin zu ganz groben Sandpapier auf.

Auf anderen Tafeln aus Holz sind mit dem Sandpapier Buchstaben dargestellt. Frau Sonnenberg – Reuter erklärt uns anhand dieser Materialien, wie Kinder mit der Montessori – Pädagogik lernen. Die Tafeln mit den unterschiedlichen Oberflächen regen an, dass darüber gesprochen wird, Adjektive wie rau, glatt und fein werden erlernt, Tafeln werden befühlt, an Armen gerieben oder an der Wange gefühlt, die Kinder werden sensibilisiert.

Stets steht das Kind im Mittelpunkt und wird gefördert und angeregt, die Welt zu erfahren. Hierbei sollen die speziellen Materialien der Montessori – Pädagogik helfen und unterstützen.

Neues wird von der Erzieherin an jedes Kind einzeln weitergegeben. Die Kinder sollen auf verschiedenen Sinnessebenen lernen und dabei in Bewegung geraten, da Bewegung unsere Auffassungsgabe unterstützt. Immer wird von der Theorie zur Praxis hingeführt und das Lernen wird durch die Montessori – Materialien gestützt. Die Kinder spielen nicht, sondern sie „arbeiten".

Für dieses pädagogische Konzept ist es wichtig, dass Ruhe in den Gruppenräumen des Kinderhauses herrscht. Es ist aber keine zwanghafte Stille, sondern eine entspannte freiwillige Ruhe, da den Kindern Alternativen geboten werden. Sie können draußen und in der Turnhalle toben, in den Fluren laut sein. Frau Sonnenberg – Reuter betont, dass eine gut gestaltete Turnstunde die Konzentration fördert und den Schaffensgeist der Kinder anregt.

Die verschiedene Materialien, die durch Maria Montessori vorgegeben wurden, gliedern sich in Mathematikmaterialien, wie z. B. die goldenen Perlen, die den Kindern z. B. helfen Mengen zu erfassen, Sinnesmaterialien, die für die Übungen des täglichen Lebens eingesetzt werden, wie z. B. der Schleifenrahmen, womit Kinder das Schleifebinden üben und der kosmische Bereich, worin das Wissen zusammengefasst ist, dass wir im Allgemeinen als „Sachkunde" bezeichnen.

Über ihr Material sagt Maria Montessori selbst:

"Unser Material soll kein Ersatz für die Welt sein, soll nicht allein die Kenntnis der Welt vermitteln, sondern, soll Helfen und Lehrer sein für die innere Arbeit des Kindes. Wir isolieren das Kind nicht von der Welt, sondern wir geben ihm ein Rüstzeug, die ganze Welt und ihre Kultur zu erobern. Das ist wie ein Schlüssel zur Welt und ist mit der Welt nicht zu verwechseln."

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Leben im Montessori-Kinderhaus Kleve

Um diese theoretischen Ausführungen von Frau Sonnenberg – Reuter in der Praxis zu erleben, hat sie uns zum Abschluss noch einen Film über das Montessori – Kinderhaus Kleve e. V. gezeigt. Diesen Film haben die Kinder selbst gedreht und kommentiert. In vielen Szenen konnten wir Dinge wiederentdecken, die wir erklärt bekommen hatten und durften für einen Moment an dem Leben in dem Kinderhaus teilhaben.

Frau Sonnenberg – Reuter gab uns zum Abschluss noch mit auf den Weg, dass wir bitte daran denken sollen, dass Kinder nie im kleinen denken, sondern nur in ganz großen Dimensionen. Wenn wir von der Welt sprechen, reden Kinder vom gesamten Universum.

Nachdem Frau Sonnenberg – Reuter geendet hat, wurde in der offenen Fragerunde noch sehr interessiert nach Einzelheiten in dem Kinderhaus gefragt und lebhaft diskutiert.

Wir möchten uns herzlich bei Frau Sonnenberg – Reuter für dieses interessante Forum bedanken.

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Weiterführende Links:

  • Montessori-Kinderhäuser in Kleve-Kellen und Kleve-Reichswalde
  • Artikel über Maria Montessori bei Wikipedia
  • Montessori-Dachverband Deutschland (sehr informativ)

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